Der Pflichtteil ist Ausfluss des gesetzlichen Erbrechts und steht den nahen Angehörigen eines Erblassers zu, die durch Testament (oder Erbvertrag) von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Insoweit ist der Erblasser in seiner Testierfreiheit eingeschränkt, einen nahen Angehörigen von der Erbfolge vollständig auszuschließen. Der Pflichteilsanspruch gewährt den nahen Angehörigen unabhängig von einer Verfügung von Todes wegen eine Mindestbeteiligung am Vermögen des Erblassers, die nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen entzogen werden kann. Der Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen die Erben und ist grundsätzlich durch Zahlung eines entsprechenden Geldbetrages zu erfüllen.
Inhalt:
- Rechtsgrundlagen des Pflichtteils
- Pflichtteilsberechtigte
- Höhe des Pflichtteils
- Zusatzpflichtteil
- Anrechnung von Zuwendungen des Erblassers
- Pflichtteilsanspruch gegen Erben
- Entstehung und Übertragbarkeit
- Verjährung des Pflichtteilsanspruchs
- Pflichtteilsverzicht
- Entziehung des Pflichtteils
1. Rechtsgrundlagen des Pflichtteils
- ob der Erblasser verheiratet war,
- in welchem Güterstand er lebte,
- ob er weitere Abkömmlinge oder adotierte Kinder hinterlassen hat.
- die Eltern und
- der Ehegatte
des Erblassers pflichtteilsberechtigt, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Die Vorschrift des § 1371 bleibt unberührt.
2. Pflichtteilsberechtigte
Zu den Pflichtteilsberechtigten zählen
- die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel- und Urenkel),
- adoptierte Kinder,
- der Ehegatte sowie
- (in bestimmten Konstellationen) auch die Eltern des Erblassers.
Mit Wirkung zum 01.08.2001 wurde auch der überlebende Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in die Gruppe der Pflichtteilsberechtigten aufgenommen, § 10 Abs. 6 LPartG.
Ausschluß von der Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen
Grundsätzlich sind die o.g. Personengruppen nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn sie durch Verfügung von Todes von der Erbfolge ausgeschlossen sind.
Hiervon sind pflichtteilsberechtigte Erben jedoch ausgenommen, wenn sie durch
- die Einsetzung eines Nacherben,
- die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder
- eine Teilungsanordnung
beschränkt oder
- mit einem Vermächtnis oder
- einer Auflage
beschwert werden, § 2306 Abs. 1 BGB. In diesen Fällen kann (trotz Erbeinsetzung) der Pflichtteil verlangt werden, wenn der zugewandte Erbteil ausgeschlagen wird.
Das Gleiche gilt gem. § 2307 Abs. 1 BGB, wenn ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht wird, dieses aber ausschlägt.
Die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.
Pflichtteilsrecht der Eltern und entfernterer Abkömmlinge
Nach § 2309 BGB sind
- die Eltern des Erblassers und
- entferntere Abkömmlinge (Enkel, Urenkel)
insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt. Mit anderen Worten sind die Eltern und Enkel/Urenkel neben Abkömmlingen des Erblassers nicht pflichtteilsberechtigt.
Geschwister des Erblassers nicht pflichtteilsberechtigt
Geschwister des Erblassers gehören nicht zu den Pflichtteilsberechtigten.
3. Höhe des Pflichtteils
Nach § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB entspricht der Pflichtteil in der Höhe dem Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Quote des gesetzlichen Erbteils
Um die Höhe des Pflichtteils zu berechnen ist also zunächst die Quote des gesetzlichen Erbteils zu bestimmen. Die Regelungen zur Ermittlung des gesetzlichen Erbteils sind in den §§ 1922–1934 BGB enthalten.
Die Quote des gesetzlichen Erbteils ist in erster Linie davon abhängig,
- ob der Erblasser verheiratet war,
- in welchem Güterstand er lebte
- und wieviele Abkömmlinge er hinterlassen hat.
Nach § 2310 BGB werden bei der Feststellung der maßgeblichen Quote des gesetzlichen Erbteils diejenigen (gesetzlichen Erben) mitgezählt, die
- durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen sind,
- die Erbschaft ausgeschlagen haben oder
- für erbunwürdig erklärt sind.
Wer durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wird dagegen nicht mitgezählt.
Bestand des Nachlasses
- Auskunft über den Bestand des Nachlasses erteilen.
Der Pflichtteilsberechtigte kann darüber hinaus verlangen, dass
- er bei der Aufnahme des Nachlaßverzeichnis hinzugezogen und
- der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird.
- das Nachlassverzeichnis durch die zuständige Behörde oder
- durch einen zuständigen Beamten oder Notar
4. Zusatzpflichtteil
Ist einem Pflichtteilsberechtigten ein Erbteil hinterlassen worden, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so kann er von den Miterben als Pflichtteil den Wert des an der Hälfte fehlenden Teils verlangen (= Zusatzpflichtteil).
5. Anrechnung von Zuwendungen des Erblassers
Pflichtteilsberechtigte müssen sich gem. § 2315 BGB das anrechnen lassen, was ihnen
- seitens des Erblassers
- zu Lebzeiten
- mit der ausdrücklichen Bestimmung zugewandt worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll (= Anrechnungsbestimmung).
6. Pflichtteilsanspruch gegen die Erben
Der Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen die Erben und ist durch Zahlung eines entsprechenden Geldbetrages zu erfüllen. Ohne Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten können die Erben den Pflichtteilsanspruch nicht mit bestimmten Gegenständen aus dem Nachlass erfüllen. Im Gegenzug können die Pflichtteilsberechtigten nicht die Herausgabe bestimmter Gegenstände aus dem Nachlass verlangen.
7. Entstehung und Übertragbarkeit
Der Pflichtteilsanspruch gegen die Erben entsteht gem. § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall. er ist gem. § 2317 Abs. 2 BGB vererblich und übertragbar, kann also auch abgetreten werden.
8. Verjährung des Pflichtteilsanspruchs
Der Pflichtteilsanspruch gegen die Erben unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§§ 195, 199 BGB), die mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Pflichtteilsberechtigte
- von dem Erbfall und
- der ihn beeinträchtigenden Verfügung von Todes wegen
- sowie von den eingesetzten Erben
Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Dies erfolgt i.d.R. durch Zustellung des Protokolls über die Testamentseröffnung nebst Abschrift des Testaments.
Absolute Verjährung nach 30 Jahren seit Erbfall
Anderenfalls verjährt der Pflichtteilsanspruch gem. § 199 Abs. 3 BGB spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall.
Hemmung der Verjährung bei minderjährigen Pflichtteilsberechtigten
Bei minderjährigen Pflichtteilsberechtigten wird die Verjährungsfrist gem. § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gehemmt.
9. Verzicht auf den Pflichtteil (= Pflichtteilsverzicht)
- Verwandte sowie
- der Ehegatte
- durch Vertrag mit dem Erblasser
10. Entziehung des Pflichtteils
Die Entziehung des Pflichtteils ist nur ganz in wenigen Ausnahmen möglich, die in § 2333 abschließend definiert werden. In der Praxis spielt die Entziehung des Pflichtteils nur eine geringe Rolle.